Hype-Thema Cloud Computing: Was kostet die Wolke?

Cloud Computing ohne klare Preise und transparente Abrechnung bliebe, was es bis vor kurzem war: Outsourcing mit langer Bindung, umfangreichen Verträgen, Pflichtenheften, Benchmark und anderen Hürden. Dieser Artikel zeigt einen Weg in die Cloud aus der Perspektive der Kosten.
 
Der BITKOM-Leitfaden „Cloud-Computing“ nannte 2009 zwar schon die IT-Infrastruktur aus der Cloud. Über Preise und Abrechnung wurde damals jedoch nicht geredet. Das Angebot von Amazon wurde trotz klarer Tarife und interessanter Preise kaum wahrgenommen, Apps dagegen waren und sind allgegenwärtig. Erst nach der CEBIT 2011 wurden die Preise der anderen Anbieter langsam bekannt, Kosten und Leistungen blieben aber unübersichtlich.
 

Monopolartiges Verhalten hat keine Chance mehr
 
Der Wechsel von einem zum anderen Anbieter ist auch in der Cloud machbar, ähnlich wie bei Strom, Gas oder Telefon. Der Kunde kann selbst berechnen, was er dem Provider zahlen muss, wenn er die Leistung seines Rechenzentrums aus der Cloud bezieht. Er kann erst pilotieren, testen und dann schrittweise ausweiten. Hat er Vertrauen gewonnen kann er schließlich seinen Workload in die Cloud verlagern. Computing und Storage werden so preiswert, dass jeder IT-Verantwortliche neu rechnen sollte. Tut er das nicht, werden es seine Chefs oder Berater erledigen. Denn jetzt gilt durch einfache Preise und kaum IT-Jargon die Sprache der Kaufleute. Wer IT für die halben Kosten vom Cloud Anbieter bezieht, braucht keine eigene Infrastruktur.
 
Dabei geht es hier nicht um Anwendungen wie CRM, ERP, Buchhaltung. Thema ist hingegen die gesamte IT-Infrastruktur: Computing, Storage und Transport, also Commodity-IT pur. Gerade diese IT-Infrastruktur kostet allein 60 bis 80 Prozent des jährlichen IT-Budgets. Wenn man das halbiert, spart man auf einen Schlag ein Drittel des gesamten Budgets. Dringende Neuentwicklungen könnten somit endlich finanziert werden.
 
Am Markt gibt es eine gute Handvoll großer Provider. Die fünf Anbieter, A bis E, sind alle weltweit tätig. Zwei, drei andere werden bald dazu kommen. Oft werden die Preise in den USA bestimmt. Den Euro rechnen wir im folgenden mit 1,40 USD. Den Kurs sollte man fest vereinbaren oder gleich in Euro buchen. Da einer nur Windows anbietet, lassen wir hier die Open Source-Plattfom unbeachtet. VMware, Citrix, Lizenzschemata kann man in vielen Varianten buchen. Auch die 32/64 bit Plattform, Verfügbarkeit, I/O-Leistung, Bindungs- und Bereitstellungsfristen kann man vielfältig preiswirksam wählen. Wir wählen als PraxisBeispiel ein mittleres Rechenzentrum mit 32 bit Windows bei mittlerer I/O Leistung, typische Verbrauchs-Eckpreise, ohne Sockel, ohne Fristbindung. Wichtig ist der Zeitbezug, denn Kapazität zu buchen, die dann ungenutzt bleibt, das war gestern.

Kriterien für Computing, Memory und Lizenzen
 
Die folgende Tabelle (Tabelle 1) zeigt zusammengefasst die preisentscheidenden Kriterien für das Computing und die damit verbundenen Software-Lizenzen. Jedem IT-Chef sind sie wohlvertraut oder sollten es sein. Lizenzen sind bei den Providern meistens in der Unit enthalten. Sie können aus einer breiten Palette ausgewählt werden und beeinflussen so den Preis. Für den Kunden entfallen dabei die lästigen Verhandlungen, die Vertragsgestaltung und das gesamte Lizenzmanagement.
 
Tabelle 1: Kriterien für Computing, Memory und Lizenzen. 

Kriterien für Kapazität und Leistung
 
Die eigene Jahresleistung und das Cloud-Angebot wird nach gleichen Kriterien gemessen und bewertet, um klare Alternativen zu sehen. Als Maß für das Computing nehmen wir den Server-Leistungs-Wert (SLW, SLWR), der in IT Management im Heft 1-2/2010 vorgestellt wurde. Durch diese einheitliche Metrik und die GB-Stunde eliminieren wir alle Missverständnisse. Das einfache Verfahren zeigt, wie sich aus Rechenkernen, Frequenz und Memory der SLWR ergibt. Der ist für alle Server eines Typs gleich und für finanzrelevante Berechnungen ausreichend genau. Mit kSh (kiloSLWR) dimensionieren wir den SLWR auf handhabbare Zahlen mit Zeitbezug und messen so alle Kandidaten mit gleicher Elle wie das eigene Rechenzentrum (Tabelle 2).
 
Tabelle 2: Kriterien für Kapazität und Leistung des Computing. 
 

Kriterien für Storage oder Instanzspeicher
 
Da Storage teils als Bestandteil einer Unit, teils völlig separat angeboten wird, muss man zum Preisvergleich alle Anbieter auf ein vergleichbares Volumen umrechnen. Dazu dienen GigaByte-Monate, die sowohl die Kapazität wie den Zeitbezug widerspiegeln. Wir beziehen uns auf die physische Menge, um Einflüsse aus unterschiedlichen Backup-, Spiegel-, RAID- und anderen Sicherheitskonzepten aufzufangen. Der Einfluss des „Atmens“ wird dagegen negiert, weil man die Daten auch bei Nichtnutzung oder Nicht-Verfügbarkeit dort lagern muss (Tabelle 3).
 
Tabelle 3: Kriterien für Storage oder Instanzspeicher. 
 

Gesamtpreis und Vergleichspreis
 
Zu unterscheiden ist der Gesamtpreis je Unit nach Preisliste und der spezifische je kSh – wie im Lebensmittelladen der Kilopreis. Auf den letzteren kommt es an (Tabelle 4).
 
Tabelle 4: Gesamtpreis und Vergleichspreis. 
 
Tabelle 5 zeigt an einem Beispiel, was Provider pro Einheit verlangen, die Mehrwertsteuer kommt hinzu. Die Einheit (Unit) bezieht sich immer auf eine Stunde, hat oft noch einen Namen und eine Klasse (etwa EC2, VIBE, Gold). Da die Units je Anbieter verschieden sind, bringen wir sie mit Normierung zur Deckung. Dabei fällt auf, dass ein Anbieter die virtuelle Kapazität für die gebuchte Zeit dediziert, der andere aber die virtuelle Maschine zum Bedarfszeitpunkt möglicherweise einem anderen Kunden zuteilt. Eine ausführliche Tabelle mit allen Providern, die man unter www.it-daily.net  finden kann, zeigt aus der großen Zahl verschiedener Tarifklassen pro Anbieter je eine untere und eine obere, insgesamt also 10 Preise. Die letzte Zeile zeigt den Preis für eine kSh. Dieser bewegt sich zwischen Euro 0,02 und 0,2 pro kSh je nach Anbieter. Der Spread von 1.000 Prozent erfordert genaues Rechnen. Kann man auf dem Spotmarkt einkaufen, wird es zwar billiger, eignet sich aber nicht für durchgehend stabilen Jahresbetrieb. Stellen wir diese Angebote nun dem eigenen Data Center gegenüber, das mit 300 Servern eine mittlere Größe hat. Wenn man dessen Kosten nicht kennt, sollte man sie zunächst erfassen. Hierzu empfiehlt sich der bewährte „BAB des Rechenzentrums“. Es ergeben sich nach unserer Erfahrung mindestens 3 Millionen Euro Jahreskosten, manchmal deutlich mehr.
 
Tabelle 5: Provider-Preise imVergleich. Zu sehen ist nur ein kleiner Teilausschnitt. Die komplette Tabelle finden Sie auf www.it-daily.net. 
 

Leistung des eigenen Rechenzentrums
 
Nun ermitteln wir, wie viel Leistung das eigene RZ für diese Jahreskosten erbringt. Wir errechnen einfach die SLWR für alle Server und ebenso die gesamte Storage-Leistung. Die Server liefern bei einer Verfügbarkeit von 99,00 Prozent eine Gesamtleistung von etwa 45,05 Millionen kSh im Jahr. Da sie selbst bei hoher Virtualisierung wegen des „Atmens“ im Mittel kaum zu mehr als 75 Prozent ausgelastet sind, beträgt die Nutzlast etwa 34 Millionen kSh. Beim Storage sind es brutto rund 2,63 Milliarden GB-Stunden. Davon gibt es keinen Verfügbarkeits- oder NutzlastAbschlag, weil die Daten auch bei Nichtnutzung dort lagern müssen (Tabelle 6).
 
Tabelle 6: Leistung des eigenen Rechenzentrums. 
 
Die gesamte Arbeitsleistung muss man mit dem Provider kontrahieren. Im Vergleich dazu zeigt Tabelle 7 die eigenen Jahreskosten im Vergleich mit den Cloud-Angeboten der fünf großen Provider.
 
Tabelle 7: Kosten aus der Cloud. 
 
Da alle Cloudpreise mengenmäßig skalierbar sind, kann man seinen Jahresbedarf praktisch zu jedem Preis kontrahieren. In konkreten Projekten berechnen wir den Bedarf mit allen Preisen jedes Providers, um den günstigsten Tarif herauszufinden. Hier nehmen wir zur Vereinfachung von jedem Provider nur eine Tarifklasse.
 

Ein Drittel des IT-Budgets sparen
 
Man sieht, dass Cloud-Angebote oft 60 Prozent der Jahreskosten für die Infrastruktur und mehr einsparen. Das ist rund ein Drittel des ganzen IT-Budgets. Die Unterschiede zwischen den Anbietern sind so groß, dass sich genaues Rechnen lohnt. Noch günstiger wird es, wenn man sich für einige Jahre festlegt. Nach Zahlung einer Cloud-Reservierungsgebühr spart man beim Verbrauch erheblich. Das wäre allerdings dann kein „ideales“ Cloud Computing, weil man auch bei Nicht-Nutzung zahlen muss.
 
Wo ist der Pferdefuß verborgen? Einer könnte die Netzanbindung sein. Da sind die Ballungsgebiete im Vorteil. Datenschutz ist eine andere Hürde, die bereits andernorts diskutiert wird. Auch darf man die maschinelle Leistung nicht als alleinigen Maßstab nehmen. Viele versteckte „Goodies“ und das Gefühl, alles unter den eigenen Fittichen zu haben, sind auch von Gewicht. Aber wer betreibt heute noch sein eigenes Kraftwerk?
 
So stellt sich die Frage, ob IT-Eigenbetrieb wirklich das Doppelte der Cloud kosten darf. Da lohnt es sogar, die Datenschutzfrage neu zu bewerten und folgende Punkte zu erwägen:
 
  • Für eine einfache Erstkalkulation benötigt man keinen Vertriebsbeauftragten mehr, der einem die Wirrnisse der Outsourcing Verträge erklärt.
  • Pflichtenhefte im bisherigen Umfang und Angebots-Wälzer können weitgehend entfallen.
  • Ausgetüftelte Verhandlungsprotokolle und Pflichtenhefte werden ebenfalls drastisch reduziert.
  • Stattdessen muss man sich mit dem sehr ausführlichen „Kleingedruckten“ auf den Websites befassen.
  • Ein Wechsel von einem zum anderen Provider ist zwar nach wie vor kein Kinderspiel, aber doch deutlich erleichtert.
  • Ganzjähriger Volllast-Betrieb ist selten und deswegen reduzieren sich die Cloud-Kosten durch „Atmen“.
  • Im eigenen Hause verlagern sich die personellen Kompetenzen vom Doing auf Management und Controlling.
  • Um seinen Job fürchten muß nicht der IT-Chef, der diese Chancen nutzt, sondern der Chef, der sie an sich vorbeiziehen lässt.
 
Sprechen diese Punkte für den Cloud-Betrieb, so sollte man für die Entscheidung nun eine Liste all der Faktoren aufstellen, die im eigenen Hause abzuwägen sind, zum Beispiel:
 
  • Unabhängigkeit von externen Gegebenheiten eines Providers (Preispolitik, Inland/Ausland).
  • Kompetenz der eigenen Mitarbeiter bewahren oder aufgeben?
  • Ist absolute Hoheit über die eigene IT-Infrastruktur unabdingbar und warum?
  • Sind Stabilität und Bandbreite der Verbindungsleitungen zum CloudAnbieter ausreichend?
  • Sind Datenschutz und Sicherheit möglicherweise prohibitiv?
 
Rechtfertigen diese Kriterien einen Mehrpreis von ein bis zwei Millionen Euro pro Jahr, dann behältman seine IT im Hause. Andernfalls startet man eine Ausschreibung mit Vertragsverhandlungen, klärt die internen Fragen mit seinen Mitarbeitern, dem Controlling, der Unternehmensleitung und dem Betriebsrat. Führt auch dies zum Beibehalt der IT im eigenen Haus, dann weiß man genau, wofür 30 Prozent des Budgets abfließen.
 
Jedenfalls werden IT-Manager nicht für den Betrieb des Computing und Storage bezahlt, sondern für ganz andere Dinge. Kein Finanzchef kann mehr kritische Fragen stellen, kein Vorstand auf den „IT-Guru“ verweisen. Das kann sehr erleuchtend sein und wird die IT in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen.
 
Wenn das alles aber dazu führt, dass man den IT-Betrieb in die Cloud verlagert, dann kann man endlich seine Energie, Aufmerksamkeit und Kosten dort investieren, wo das Geschäft richtig profitiert. Neue Anwendungen, ganz neue Lösungen wird man finden und – endlich – die benötigten Mittel und Personen frei haben, um diese in konkreten Nutzen umzusetzen. Ein ausführliche Analyse-Bericht ist beim Autor erhältlich. ([email protected] )
 
Jochen K. Michels, www.jomi1.com
 
Diesen Artikel lesen Sie auch in der it management , Ausgabe 10-2011. 

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