Gewinnschwund im Mobilfunkmarkt

Dr. Hagen Goetz HastenteufelAndauernder Preisverfall übersteigt bis 2011 technische Erstellungskosten von Mobilfunkminuten.

Bis 2011 werden die durchschnittlichen Einnahmen für eine Mobilfunkminute als Folge des andauernden Preisverfalls voraussichtlich genau den technischen Erstellungskosten entsprechen. Die Marge eines durchschnittlichen Mobilfunkanbieters, die heute noch rund 16 Prozent beträgt, würde damit auf null sinken. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Top-Managementberatung A.T. Kearney unter 100 europäischen Mobilfunkanbietern. Nur mit einer gemeinsamen Netznutzung können die Rivalen auf dem hart umkämpften europäischen Mobilfunkmarkt ihre Margen behaupten: Sogenanntes „Network Sharing“ bietet exzellente Chancen, die Kosteneffizienz im Netzwerk um bis zu 59 Prozent zu erhöhen und so im verschärften Preiswettbewerb zu bestehen. Newcomern gelingt per „Network Sharing“ ein schnellerer Markteintritt, während etablierte Anbieter unternehmensübergreifend leichter in die vierte Mobilfunkgeneration investieren können.

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Die europäischen Telekommunikationsunternehmen stecken mit ihren Mobilfunk-Angeboten in einer Zwickmühle: Bis 2011 werden sich die durchschnittlichen Einnahmen für eine Mobilfunkminute als Folge des andauernden Preisverfalls bei 8,8 Cent eingependelt haben. Damit liegen sie gleichauf mit den technischen Erstellungskosten und die Gewinnmarge eines durchschnittlichen Mobilfunkanbieters läuft bis 2011 gegen null. Schon im Jahr 2012 müsste ein Anbieter theoretisch sieben Prozent pro Handygespräch draufzahlen, wenn er bis dahin nicht tragfähige Modelle der Kostensenkung erschließt.

Bisherige Spar-Anstrengungen setzen häufig an bei den Zugangsnetzen (Radio Access Networks, kurz RAN), die das Bindeglied zwischen den Mobiltelefonen der Kunden und den Kernnetzen des Anbieters darstellen. Das geschieht aus gutem Grund, denn bei der Netz-Zugangstechnik ist das Einsparpotenzial beachtlich: Mobilfunkunternehmen wenden hier rund ein Drittel ihrer gesamten Betriebskosten auf, die RAN binden zudem rund 80 Prozent des investierten Kapitals. „In den letzten fünf Jahren haben die Mobilfunkanbieter die Kosten pro Kunde im Bereich der Zugangsnetze schon um mehr als ein Drittel gesenkt. In vielen Fällen sind nun allerdings die klassischen Methoden der Prozessverbesserung ausgereizt“, sagt Dr. Hagen Götz Hastenteufel, Partner bei A.T. Kearney. „Neue strukturelle Ansätze zur Effizienzsteigerung sind dringend nötig, wenn die Anbieter nicht vom Markt verschwinden wollen.“

Gute Erfahrungen mit gemeinsamer Netztechnik

Während Outsourcing-Bemühungen nicht immer fruchten, stellt die technische Zusammenarbeit im Bereich der Zugangsnetze einen der wirkungsvollsten Ansätze zur Kostensenkung dar. Ein Blick nach Schweden, Spanien und Großbritannien weist einen viel versprechenden Weg: Dort ist das sogenannte „Network Sharing“ bereits Realität, bei dem konkurrierende Mobilfunkanbieter ihre vorhandene Sende- und Empfangsinfrastruktur miteinander teilen oder sogar gemeinsam neu aufbauen. Bis zu 59 Prozent der Gesamtkosten im RAN können der Studie zufolge durch „Network Sharing“ eingespart werden, wobei die Potenziale je nach Nutzungsintensität und Art der Kooperation variieren. Das ergab eine A.T. Kearney-Analyse der Kostenstrukturen von rund 100 europäischen Mobilfunkanbietern.

Den größten Einspareffekt erzielen die Unternehmen durch das gemeinsame Anmieten der physischen Sendeplätze. Bei dieser Form der Kooperation zeigten sich Sparpotenziale von bis zu 69 Prozent. Das Errichten und die Inbetriebnahme einer neuen Anlage wird mit einem Partner um durchschnittlich 31 Prozent preiswerter, die Kosten des laufenden Betriebs können um bis zu 40 Prozent sinken. Günstiger werden auch die Unterhaltung und Wartung der Anlagen sowie die Stromkosten. Ebenfalls fällt es kooperierenden Unternehmen leichter, ihre Netzabdeckung zu optimieren und die vorhandenen Kapazitäten besser zu nutzen. Dieser Aspekt separat betrachtet senkt die Kosten um bis zu 38 Prozent.

Der Endkunde ist an Qualität gewöhnt

Etwa 15 Prozent aller Mobilfunkanbieter befassen sich schon intensiv mit dem Thema und nutzen Teile der Netzinfrastruktur gemeinsam mit ihren Wettbewerbern – angefangen von Gebäuden samt energieintensiven Kühleinheiten über Funkeinrichtungen, Transceivern bis hin zu Antennen. „Mit Network Sharing können Anbieter auch über das Jahr 2011 hinaus profitabel wirtschaften, wenn sie bei der Wahl des Partners und des jeweiligen Modells die richtigen Weichen stellen“, sagt Hastenteufel. „Der Schritt zum Network Sharing ist allerdings nur dann angebracht, wenn das eigene Netzwerk nicht mehr dazu taugt, sich entscheidend vom Wettbewerber abzusetzen.“

Das ist jedoch immer häufiger der Fall: Je gleichwertiger die Netze werden, desto eher lohnt die Kooperation. Vor wenigen Jahren galten Sendeleistung und Netzabdeckung noch als wichtige Differenzierungsmerkmale im Wettstreit um die Endkunden und als gute Argumente, um Premiumpreise durchzusetzen. „Heute hat sich das Bild geändert: Als Alleinstellungsmerkmal kann die Netzqualität nur noch selten herhalten. Sie liegt in den reifen Mobilfunkmärkten bei fast allen Providern nach beträchtlichen Investitionen auf einem hohen und oft sehr ähnlichen Niveau“, sagt Hastenteufel.

Die Ausgangslage bestimmt die Partnerwahl

Lediglich in vier europäischen Ländern unterscheiden sich laut Untersuchung die Anbieter noch nennenswert in der Netzqualität. Allerdings führt auch das nicht zwingend zu höherer Zahlungsbereitschaft beim Kunden: In zwei Fällen machten die Anbieter mit dem weniger ausgefeilten Netz nur geringfügig schlechtere Geschäfte. In den anderen beiden Fällen erzielte das technisch unterlegene Unternehmen sogar ein um bis zu 16 Prozent besseres Ergebnis pro Kunde.

Network Sharing ist ein komplexer Prozess mit vielen rechtlichen, technischen und strategischen Handlungsoptionen – die Partnerwahl ist von zentraler Bedeutung. „Wer die Zusammenlegung der Netzwerk-Kapazitäten mit einem oder mehreren Wettbewerbern erwägt, sollte dies in einem mehrstufigen Verfahren prüfen“, rät Hastenteufel. Je nach Ausgangslage kommen unterschiedliche Ziele zum Tragen: Ein Nachzügler gewinnt per Kooperation schnell eine hohe technische Reichweite – und muss dafür eine Prämie zahlen. Für etablierte Marktteilnehmer hingegen liegt der Reiz vor allem darin, die Kosteneffizienz zu verbessern, mit angemessenem Aufwand in die vierte Mobilfunkgeneration zu investieren und damit verbundene Investitionsrisiken mit anderen zu teilen. Dabei ist gute Vorbereitung wichtig: „Wer sich mit seinem Netz partnerschaftlich bindet, muss auch Fragen des Wettbewerbsrechts und der Regulierung bedenken. Oberstes Gebot ist jedoch, dass sich Mobilfunkbetreiber rasch entscheiden, ob und mit wem sie eine Partnerschaft eingehen wollen. Ansonsten laufen sie Gefahr, dass sie die Chance auf einen Schulterschluss verpassen und sich der Wettbewerb gegen sie verbündet“, so Hastenteufel.

www.atkearney.de

 

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