Tiefgreifende strategische Veränderungen, wie zum Beispiel Ausgliederungen von Unternehmensteilen, der Aufkauf von Firmen oder unternehmensinterne Umstrukturierungen, haben weitreichende Folgen. Um die neue Organisationsstru&ktur korrekt und effizient wiederzuspiegeln, sind Anpassungen in aller Regel nicht nur auf betriebswirtschaftlicher und juristischer Ebene notwendig, sondern auch in der IT-Landschaft.
Reorganisationen erfolgen aufgrund unterschiedlicher Motive: Wird beispielsweise ein Unternehmen zugekauft oder soll ein langfristiges Joint-Venture eingegangen werden, so müssen die relevanten Daten in das eigene System integriert werden. Der Verkauf eines Unternehmensbereiches dagegen verlangt es, die betroffenen Daten in ein neues System zu überführen und aus dem Quellsystem zu löschen. Darüber hinaus sind die Optimierung von Systemen oder Datenstrukturänderungen notwendig, wenn Betriebskosten eingespart werden sollen oder der Gesetzgeber neue Vorgaben macht. In diesen Fällen gilt es, alle relevanten Daten – unter anderem Stammdaten Bewegungsdaten, also Bestelldaten und Rechnungen – konsistent und innerhalb kurzer Zeit in ein neues System zu überführen, ohne das Tagesgeschäft zu beeinträchtigen. Um diese Prozesskontinuität zu bewahren, bieten die System Landscape Optimization (SLO)-Services von SAP Consulting erprobte technologische Ansätze. Die SLO-Services stellen ein Migrationsvorgehen dar, das nicht wie üblich die Daten über die Anwendungsschicht in Systeme überführt, sondern unmittelbar auf Tabellenebene Änderungen an den Daten vornimmt. Durch die Veränderung der Daten direkt auf Tabellenebene ist SLO sehr flexibel, da die Tabelleninhalte beliebig modifiziert, gelöscht und umgeschlüsselt werden können.
Zuordnung zu einem neuen Buchungskreis
Um trotz wachsender Größe flexibel agieren zu können, gliedert beispielsweise ein Konzern einen besonders erfolgreichen Geschäftsbereich aus und führt ihn als rechtlich selbstständiges Unternehmen weiter. Aus Sicht der IT müssen hierzu relevante Daten aus dem vorhandenen System selektiert und strikt von den restlichen Bereichen getrennt werden. Innerhalb eines SAP-Systems werden Geschäftsbereiche durch ein oder mehrere „Werke“ dargestellt. Um eine Ausgliederung konsistent umzusetzen, werden alle betroffenen Werke einem neuen Buchungskreis zugeordnet. Hierfür verwendet SLO zwei speziell entwickelte Technologien. Die Selektion der zu berücksichtigen Datenobjekte – Stamm- und Bewegungsdaten, sowie alle kundeneigenen Entwicklungen – findet mithilfe der „Scenario Technology“ statt. Die entsprechenden Organisationseinheiten und zugehörigen Datenobjekte werden definiert und anschließend an die „Conversion Technology“ weitergereicht. Diese vollzieht dann die produktive Umstellung direkt auf Datenbankebene und ordnet die selektierten Objekte einem neuen Buchungskreis zu und ermöglicht den Transfer der kompletten Historie (siehe Bild 1). Gesetzlichen Anforderungen zu Aufbewahrungsfristen von Daten kann somit entsprochen werden. Darüberhinaus bleibt der Datenfluss stichtagsunabhängig im System erhalten. Dies hat den Vorteil, dass laufende Prozesse vor Umstellungsbeginn nicht zwingend abgeschlossen werden müssen und der Kunde den Umstellungszeitpunkt frei wählen kann.
Datentransfer in ein separates System
Auch den Datentransfer – beispielsweise beim Verkauf einer Sparte an ein anderes Unternehmen – in ein separates Systemunterstützt die SLO-Technologie. Um die rechtliche Konformität und Datensicherheit zu gewährleisten, wird zunächst eine komplette Kopie des Quellsystems erstellt. Nach einer genauen Analyse der im bestehenden System befindlichen Daten ermöglicht die „Conversion Technology“ dann die Löschung aller veräußerten Buchungskreise im Quellsystem und gleichzeitig die Löschung aller verbleibenden Unternehmensbereiche im Zielsystem. Nach der Anwendung des Services „Buchungskreis Löschen“ (siehe Bild 2) enthalten beide Systeme lediglich die nach der neuen Struktur relevanten Unternehmensdaten. Die Howaldtswerke- Deutsche Werft GmbH (HDW) in Kiel hat zum Beispiel mit Hilfe eines vergleichbaren Serviceangebotes den Handelsschiffsbau in eine eigenständige Fertigungsgesellschaft ausgegliedert. Die SLO-Gruppe von SAP Consulting übernahm bei dem viermonatigen Migrationsprojekt die technische Konvertierung der Stamm- und Bewegungsdaten für die Bereiche Logistik und Controlling. Mittels Buchungskreissplit wurde die Grundlage dafür geschaffen, langfristig laufende Projekte in der neuen Struktur wieder aufzufinden und weiter zu bearbeiten, die Prozess- und Datenkontinuität also vollständig zu erhalten. Darüber hinaus wurden mit einem Konvertierungstool der SLO-Gruppe unter anderem 1,3 Millionen Materialstämme kopiert – ein Vorgang, der mit Standardmitteln überaus langwierig gewesen wäre. „Die Performance und Perfektion der SLO-Werkzeuge haben entscheidend dazu beigetragen, dass das sehr komplexe Ausgliederungsvorhaben reibungslos über die Bühne gegangen ist“, so die Einschätzung von Norbert Bader, Leiter SAP Customer Competence Center bei der HDW.
„Migration Technology“ für die Datenkonsolidierung
Sollen vorhandene Geschäftsprozesse effizienter gestaltet, die Aufbauorganisation neu strukturiert und die Betriebskosten (TCO) gesenkt werden, zwingt dies ein Unternehmen in der Regel zu einer Konsolidierung der historisch gewachsenen und häufig weltweit verzweigten Systemlandschaft, deren Verwaltungs- und Wartungskosten meist überaus hoch sind. Ist das Unternehmen nur an einer reinen Reduktion der Anzahl der Systeme, ohne die inhaltliche Harmonisierung und Standardisierung von existenten Businessprozessen, interessiert, steht der Service „Mandanten Transfer“ zur Verfügung. Mit Hilfe des Services „Mandantenzusammenführung“ dagegen lässt sich auch die gesamte Geschäftsprozessstruktur harmonisieren und das Unternehmen so optimal auf ein Globalisierungsvorhaben ausrichten. Beide Services basieren auf der „Migration Technology“ des SLO-Teams, die speziell für die Datenübertragung zwischen SAP-Systemen entwickelt worden ist (siehe Bild 3). Sie eignet sich zur Übernahme sowohl von Geschäftsobjekten, wie Kundendaten, Materialstämmen und Änderungsbelegen, als auch von Organisationseinheiten, wie Buchungskreisen oder Mandanten. Der Service „Mandanten Transfer“ unterstützt Szenarien, bei denen eine Konsolidierung von Systemen angestrebt wird, deren interne Strukturen und Abläufe stark voneinander abweichen (siehe Bild 4). Hierbei wird ein Mehrmandanten-System aufgebaut, das sämtliche Mandanten der Quellsysteme weiterhin separat beinhaltet. Beim Transfer aller Mandanten in der bestehenden Form in ein dediziertes Zielsystem ist eine Harmonisierung der Geschäftsprozesse und mandantenunabhängigen Customizingeinstellungen nicht notwendig. Das neue System vereint am Ende die Daten sämtlicher Quellsysteme. Der SLO-Service „Mandantenzusammenführung“ (siehe Bild 5) geht noch einen Schritt weiter und ermöglicht den Aufbau eines Einmandanten-Systems mit gleichzeitiger Übernahme der kompletten Historie aus allen Quellsystemen durch eine Verschmelzung der ursprünglichen Mandanten. Hierzu wird zunächst der Mandant als Zielsystem ausgewählt, dessen Struktur für die zukünftig zu erwartenden Geschäftsprozesse am geeignetsten erscheint. Alle verbleibenden Mandanten werden nun sukzessive in dieses System übertragen. Um eine reibungslose Datenüberführung zu ermöglichen, werden alle Customizingeinstellungen auf Mandanten- und Systemebene im Vorfeld überprüft und notwendige Anpassungen vorgenommen. Entscheidender Vorteil des Service „Mandantenzusammenführung“ ist der mögliche Einsatz vorkonfigurierter Änderungsszenarien, wie Materialnummern- und Debitoren-/Kreditorenumbenennungen sowie Kontenplanumstellungen, bei minimaler System-Downtime.
Standardisierte Projekt-Vorgehensweise
Jedes Projekt im Bereich der Datenkonvertierung, Migration und Harmonisierung der Systemlandschaft ist eine Herausforderung. Neben einer minimalen Downtime während der Umstellung werden zumeist die Mitnahme der kompletten Datenhistorie sowie vollkommen Prozesskontinuität erwartet. Aus rechtlicher Sicht ist außerdem der Umgang mit sensiblen Daten des Personal- und Finanzwesens relevant, bei denen auch den strengen Vorgaben von Wirtschaftsprüfern entsprochen werden muss. Um all diesen Anforderungen gerecht zu werden, folgt jedes SLO-Projekt einer standardisierten Vorgehensweise. Eine genaue Analyse der Ist-Situation ist Voraussetzung für die Erstellung eines Projekt-Blueprints. Die Details der Umstellung sowie der Zeitrahmen werden in einem Workshop gemeinsam mit dem Kunden erarbeitet. Da alle SLO-Services auf einer bewährten Projektvorgehensweise sowie erprobten Umstellungsverfahren und Technologien basieren, lässt sich bereits zu diesem Zeitpunkt ein eng gefasster Budgetrahmen für das gesamte Projekt stecken. Aufgrund der Komplexität der Aufgabenstellung sind in aller Regel zwei Testzyklen durchzuführen, bevor die Produktivumstellung erfolgt. Hierbei wird die Konvertierung anhand eines kompletten Testsystems, also einer nicht produktiv arbeitenden Systemkopie, simuliert. Ziel ist dabei zum Einen die Offenlegung möglicher Konflikte und zum Anderen die Steigerung der Umstellungsperformance. Im Anschluss an jede Testumstellung sind ausführliche funktionale Testschritte eingeplant, um die Freigabe für die konsistente und korrekte Produktivmigration zu gewährleisten. Die eigentliche Produktivumstellung findet im Regelfall an einem Wochenende statt. Dadurch ist sichergestellt, dass die erforderliche Buchungssperre des Produktivsystems das Tagesgeschäft nicht beeinflusst. Bevor die Systemsperre aufgehoben wird, testen die zuständigen Mitarbeiter aus den Fachabteilungen erneut die inhaltliche Richtigkeit der Umstellung.
Komplexe Migrationsprojekte innerhalb kurzer Zeit
So hat beispielsweise die Bayer Health-Care AG in nur neun Monaten ihre Systemlandschaft harmonisiert und auf den Datenzufluss durch den Erwerb eines Konkurrenten vorbereitet. Michael Schrodt, Projektleiter der Bayer Health-Care AG, bestätigt die Vorteile passgenauerMigrationswerkzeuge: „Die Verkürzung der Gesamtprojektdauer um sieben Monate ist uns dank einer entschlossenen Scope-Reduzierung und des Einsatzes der Migrationstechnologie von SLO gelungen.“ Das Upgrade verschiedener SAP-Lösungen sowie die Migration aller relevanten Stamm- und Bewegungsdaten auf die neuen Releases wurden von der SLO-Expertengruppe von SAP und ihren bewährten Methodologien und Technologien unterstützt. So war es Bayer Health-Care nicht nur möglich, die sehr ambitionierte Frist einzuhalten, sondern darüber hinaus die Total Cost of Ownership (TCO) nachhaltig zu senken. Auch der Leiter der Ingenieurtechnik der Bayer-Health-Care AG, Volker Klotzki, ist von den Vorteilen von System Landscape Optimization überzeugt: „Die Technologien des SLO-Teams ermöglichten uns den glatten Datentransfer im Zeitraum eines Wochenendes, also ohne das Tagesgeschäft zu beeinträchtigen. Und der mutige Einsatz der Migration Workbench ist eine echte Erfolgsgeschichte. Daten und Funktionen sind erstaunlich glatt migriert worden.“ Nach dem erfolgreichen Go-Live kann das System sofort und wie gewohnt eingesetzt werden. Durch die Umstellung auf Datenbankebene ergeben sich für den Benutzer bei der Anwendung keine Veränderungen. Somit entfallen aufwändige Schulungen und Einarbeitungszeiten.
SABINE WACHTER
Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe November 2008 des it management.