Lässt sich ein RAID in einer anderen Umgebung in Betrieb nehmen, zum Beispiel weil der dazugehörige PC kaputt ist? Doc Storage sieht hier nur einen kleinen Handlungsspielraum, um einen Datenverlust zu vermeiden.
Leserfrage: Folgende Frage wird vom PC-Hersteller nur unbefriedigend beantwortet bzw. werde auf das Problem sitzen gelassen. Solange, nichts geändert wird, ist das Risiko auf Datenverlust relativ gering jedoch habe zurzeit kein Zugriff mehr auf meiner Daten da der PC mit eingebauten RAID-Array-Volume den Geist gegeben hat. Daher möchte ich nun versuchen diesbezüglich von Ihnen ein guter Rat zu bekommen.
Der Tower von GIGABYTE Hyrican-PC basiert auf LGA 1151 MSI Z270 PC Mate mit Intel Core i7-7700K 91W und 16 GByte DDR4-RAM (Crucial PC/2133). Ein neues Be-quite!-Netzteil wurde vom Fachmann eingebaut. Damit hat der PC rund vier Monate funktioniert und ist jetzt schon wieder defekt.
Meines Erachtens, ist das RAID-Volume (Intel Rapid Storage) davon nicht betroffen und sollte migriert werden können in ein neu zu erwerbendes NAS-Gehäuse bzw. DAS-Gehäuse. Nur, geht dies ohne Datenverlust? Von mir in Betracht gezogen sind vorerst 4-Bay-NAS-Systeme Asustor, Buffalo oder WD. Es handelt sich um vier 10-TByte-Festplatten des Typs Seagate Enterprise ST10000NM0016, die migriert werden sollen. Die Frage ist, was technisch möglich und die beste Lösung und Handhabung, um das Problem richtig im Griff zu bekommen. Noch sind die Daten unberührt und in Takt.
Antwort Doc Storage:
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Daten, die auf einer bestimmten RAID-Gruppe, angeschlossen an einen bestimmten Controller, und geschrieben von einem bestimmten Betriebssystem, werden sich für »normale« Menschen nicht auf anderen Maschinen retten lassen. Nicht ohne spezielle Geräte zur Datenrettung, zum Auslesen der einzelnen Zylinder und dem anschließenden Zusammensetzen der gewonnenen Informationen zu für Standard-Rechner verwertbaren Dateien.
Es wird schlicht nicht von Erfolg gekrönt sein, eine beliebige RAID-Gruppe mit verteilt geschriebenen Daten, also zum Beispiel RAID 5 oder 6, einfach in ein anderes Array einzusetzen und zu erwarten, dass die dort vorhandenen Informationen ausgelesen werden können. Schlimmer noch für Laufwerksgruppen, die sich eben nicht an Standardverteilungen halten, sondern die Daten auf herstellerspezifische Weise auf den Medien verteilen. Die Gründe hierfür sind vielfältig.
Zum einen benutzen unterschiedliche Arrays auch unterschiedliche Betriebssysteme, meistens Linux. Zudem gibt es auch mehrere Dutzend Möglichkeiten, die Daten in einem Dateisystem zu organisieren, wenn der Hersteller nicht im schlimmsten Falle wie bereits erwähnt zu einer eigenen Art des Dateisystems greift. Hinzukommt, dass jeder Controller die Daten physikalisch unterschiedlich auf den Platten oder anderen Medien verteilt, Paritäten anders berechnet und auch diese auf andere Weise schreibt.
Ich sehe also kaum eine andere Möglichkeit, an die auf den Platten vorhandenen Daten heranzukommen, als sich entweder irgendwo auf dem Gebrauchtmarkt ein entsprechendes Netzteil zu besorgen oder die rund 100 Euro nochmals in ein neues zu investieren (jeweils plus Einbau natürlich, wenn Sie dies nicht selbst tun wollen). Nur eine Maschine desselben Typs mit demselben Controller und derselben Betriebssystem-Version wird Ihnen tatsächlich garantieren, dass Sie die dort gespeicherten Daten noch einmal zu Gesicht bekommen.
Natürlich können Sie das gesamte Gerät auch an Spezialfirmen für Datenrettung geben und die Informationen von diesen auslesen lassen, allerdings wird dieser Prozess wesentlich teurer werden als die Anschaffung und das Verbauen eines entweder gebrauchten oder neuen Netzteiles. Vielleicht ist der Hersteller des bisherigen Systems so kulant und stellt Ihnen ein solches zur Datenrettung für gewisse Zeit zur Verfügung.
Datenzugriff wiederherstellen und zweite Kopie anfertigen
Um die Frage zu beantworten, wie man ein solches Problem in den Griff bekommt, in logischen Schritten (ich weiß, ich weiß, ich nerve, aber das muss jetzt sein…):
- Das alte Speichersystem wieder herrichten, so dass die Daten von dort gelesen werden können.
- Alle Daten nach der Inbetriebnahme des alten Systems sofort und ohne Zögern auf ein Neues kopieren.
- Für drittens haben Sie Auswahl, allerdings kann das sogar parallel zu zweitens passieren. Entweder ein zweites neues Speichersystem anschaffen, möglichst eines anderen Herstellers, um gleichzeitige Ausfälle beider Speichersysteme, egal ob Hard- oder Software, zu vermeiden, und dann alle Daten aus dem alten in dieses zweite neue kopieren, also eine Replika. Dann dürfen Sie nicht vergessen, die im neuen Speichersystem geänderten Dateien regelmäßig auf das zweite neue zu spiegeln. Oder Sie schaffen sich eine vernünftige Backup-Software an (ja, ich weiß, hier werden die meisten die Augen rollen), das muss nicht teuer sein, und nutzen das zweite neue System als Ziel für diese Backups.
Ich will jetzt gar nicht in die Möglichkeiten einsteigen, die zweite Kopie, oder wohlmöglich schon die produktive nicht veränderbar zu machen (Immutability) und diese damit vor allen kriminellen Zugriffen von außen zu schützen. Damit beschäftigen wir uns beim nächsten Mal.
Auf jeden Fall benötigen Sie zwei Kopien Ihrer Daten, eine produktive und eine für den Fall, wenn die produktive nicht mehr zur Verfügung steht, aus welchem Grund auch immer. Singulär abgespeicherte Daten sind eine Einladung zum Datenverlust, selbst wenn man diese dann durch Glückes Fügung noch einmal zu retten vermag. Lassen Sie sich die jetzige Situation einen warnenden Zeigefinger sein, RAID allein schützt vor gar nichts, sondern vermindert nur den Aufwand bei der Wiederherstellung beim Ausfall eines Datenträgers.
Gruß
Doc Storage
- Doc Storage: Backups sind für Disaster-Recovery nutzlos
- Doc Storage: Backup-Monitoring von grundlegender Bedeutung
- Doc Storage: Standortbestimmung Tape, HDD und Flash
- Doc Storage: Was ist ein Ingress- und Egress-Datenverkehr?
- Doc Storage: Unterschiede der Performance-States von SSDs
- Doc Storage: SSDs: Was ist mit den Schreibzyklen, wenn SSDs fast voll sind?