Die Lieferketten sind nachhaltig gestört: Enterprise-HDDs und -SSDs sind knapp. Dementsprechend steigen die Preise. Von deutschen Anbietern hören wir, dass im Mai vermutlich keine Festplatten angeliefert werden. Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Natürlich bringt Corona vieles durcheinander, auch der Handelskrieg zwischen China und den USA tragen dazu bei. Was eine neue Kryptowährung (Chia) und eine Wasserknappheit in Taiwan mit der der Allokation im Festplattenmarkt zu tun haben, erklären wir in diesem Beitrag.
Die Preise für Festplatten und SSDs gehen in den letzten Wochen drastisch nach oben. Einzelne Enterprise- und NAS-Modelle verzeichnen einen Aufschlag von 50 Prozent und mehr. Aus dem Markt hören wir, dass im Mai mit keiner Lieferung mehr zu rechnen sei. Ware komme erst wieder im Juni. Seit der Flut in Thailand 2011 habe den Festplatten-Markt keine derartige Allokation mehr getroffen.
Die Gründe sind 2021 allerdings vielschichtiger: Die weltweite Pandemie spielt natürlich eine Rolle, warum nur begrenzt Hardware verfügbar ist. Änderungen in den Arbeitspraktiken weltweit führen zu Verzögerungen bei der Herstellung und Produktion. Gleichzeitig brechen ganze Absatzmärkte weg wie zum Beispiel der Verkauf von Autos/Transportmitteln. Vor der Pandemie war dies ein enormer Bereich der Mikrochip- und Komponenten-Produktion mit hohen Herstellerquoten und -verpflichtungen.
Spontan möchte man denken, müssten dann die Lager nicht voll sein? Dem ist jedoch mitnichten so. Vielmehr verketten sich ökologische bis hin zu ökonomischen und sogar sozialpolitischen Gegebenheiten derart unglücklich, dass wir ehrlich gesagt davon ausgehen, dass wir diese Knappheit noch bis 2022 und vielleicht sogar 2023 spüren werden.
Während die Autokäufe massiv zurückgehen, immerhin bleiben wir schon seit über einem Jahr zu Hause, ist der Bedarf Home-Office-Geräten, Laptops, Computern, Netzwerkgeräten und Speichermedien regelrecht explodiert. Darauf waren Peripherie- und Komponenten-Hersteller aber nicht vorbereitet. Dies führte zu einer Inkonsistenz im Markt und dem Versuch, die Produktionen umzustellen. Dass gleichzeitig Prämien auf verfügbare Komponenten bezahlt werden, ist ein in der Branche bekanntes Vorgehen. In der Pandemie war es allerdings nicht möglich die Fertigung auf ein anhaltend gleichbleibendes Niveau zu führen. Auch konnten sich die Hersteller nicht hundertprozentig auf die Kunden verlassen. Viele Unternehmen wissen selbst nicht, wie es in ihren Geschäftsbereichen weitergeht und investieren daher nur in das Nötigste.
Gleichzeitig wollen die Roadmaps der großen Hersteller bedient werden. Neue Telefone, Tablets und Peripheriegeräte werden Jahre im Voraus geplant und Halbleiter und anderen Hardware-Komponenten in hoher Anzahl vorbestellt. Die Kaufkraft der Tech-Giganten, die sich große Mengen an schwindenden Hardware-Komponenten sichern, hinterlässt auch für alle anderen enorme Verzögerungen in der Lieferkette.
Neue Kryptowährung Chia sorgt für HDD-Knappheit
Etwas womit im Festplatten-Segment keiner gerechnet hat: Die neue Kryptowährung Chia. Diese setzt auf Speicherplatz, wenn es um das Schürfen geht. Die Kritik an Kryptowährungen wie Bitcoin ist der hohe Energieverbrauch, der vor allem den leistungsfähigen High-End-Grafikkarten geschuldet ist.
Bei der Erzeugung neuer Chia-Coins wird auf das Verfahren Proof of Space and Time gesetzt. Anwender stellen dabei dem Chia-Netzwerk Speicherplatz zur Verfügung, auf dem kryptographische Nummern in Parzellen gespeichert werden können. Je mehr Parzellen der Nutzer der Blockchain zur Verfügung stellt, desto höher der Income. Eine Parzelle soll 356 GByte groß sein und vier GByte Arbeitsspeicher benötigen. Wie zu lesen ist, hat das Chia-Netzwerk vor dem offiziellen Launch ein Speichervolumen von einem EByte. Wer hier mitspielen möchte benötigt Storage. Sehr viel Storage. Und Arbeitsspeicher, je mehr desto besser. Dementsprechend kommt es bereits zu Massenkäufen und -beschaffung von Laufwerken, noch bevor Chia vollständig für alle verfügbar ist.
Gefragt sind vor allem Enterprise-HDDs und -SSDs. Weniger leistungsfähige Speicher eignen sich zwar nicht so gut für das Schürfen der Coins, im Verbund liefern sie scheinbar trotzdem noch profitable Ergebnisse. All dies beeinflusst den Storage-Markt enorm. Die Zeit preisgünstiger Festplatten und SSDs, die quasi im Überfluss vorhanden waren sind vorerst vorbei.
Schwindende Wasservorräte in Taiwan
Die Produktion von Halbleitern und anderen Schlüsselkomponenten benötigt bei ihrer Herstellung riesige Mengen an Wasser. In Taiwan sind die Reservoirs aber erschöpft.Und weil dies noch nicht genug sind, sind auch Umweltprobleme schuld an der Allokation im HDD- und SSD-Markt: Ein Großteil der Halbleiter kommt aus Taiwan, entsprechend hoch ist die Bedeutung der im Verhältnis kleinen Insel. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Hardware-Komponenten sieht sich diese mit Dürre und einer damit verbundenen Wasserknappheit konfrontiert. Die Produktion von Halbleitern und anderen Schlüsselkomponenten benötigt bei ihrer Herstellung riesige Mengen an Wasser. Die Reservoirs Taiwans sind erschöpft und die bestehenden Wasseraufbereitungszentren stoßen an ihre Grenzen. Zwar investiert das Land in ein neues Wasserfiltrations- und -aufbereitungszentrum, eine Besserung wird aber nicht vor 2022 erwartet.
Auswirkungen des Handelskriegs zwischen den USA und China auf die Lieferkette
Erschwerend kommt hinzu, dass China die Souveränität Taiwans nicht anerkennt. Eine bereits seit Jahrzehnten andauernde Debatte, denn die Weltgemeinschaft, allen voran die USA, sehen Taiwan als eigenständig. Da hat es auch nicht geholfen, dass die USA einen Handelskrieg mit China entfachte, der sich seit rund zwei Jahren natürlich auf die Hardware-Verfügbarkeit auswirkt. Als Außenstehender frägt man sich schon nach dem Sinn der Streitigkeiten. Ein Großteil der Halbleiterproduktion kommt aus China. Gleichzeitig ist die USA Chinas größter Abnehmer. Wie gesagt, beide sägen an ihrem eigenen Ast… Nach dem Regierungswechsel in den USA hofft die Industrie nun auf eine Beruhigung der Lage.
HDD/SSD: Anhaltende Lieferschwierigkeiten erwartet
Dass sich Corona nachhaltig auf den Markt auswirken würde, war allen Machern schon vor einem Jahr klar. In welcher Form allerdings nicht. Spannend wird sein, wie sich die Allokation auf den Festplattenmarkt auswirken wird. Im Q1/2021 sahen die Trendforscher von Trendfocus das Segment mit 62,75-64,85 Millionen verkauften HDDs noch im Sinkflug.
Von den genannten Gründen wird weder die Pandemie noch die Wasserprobleme schnell verschwinden. Die Kryptowährung Chia gilt als unbekannte Größe, Experten gehen aber davon aus, dass sie uns erstmal erhalten bleibt. Auf absehbare Zeit scheint nur der Handelskrieg als lösbar. In Summe bleibt die Lieferkette nachhaltig gestört. Die Liefersituation bei HDDs und SSDs dürfte sich daher eher noch verschlechtern. Das heißt, Handel und Verbraucher müssen mit weiter steigenden Preisen kalkulieren.
Anmerkung der Redaktion
Karl Fröhlich In der Vergangenheit haben wir zudem oft gesehen, dass Ware an den Verteilstationen künstlich zurückgehalten wurde. Dies könnte vor allem kleinere Anbieter treffen. Hier hören wir, wie schon früher, dass sich gute Lieferantenbeziehungen auszahlen. Das Geschäft wird unter Menschen gemacht. Das heißt, jetzt zählen gute und langfristige Kontakte, Verlässlichkeit und auch mit einer guten Zahlungsmoral sammelt man Punkte.
Eine Allokation ist für das Segment nicht neu. Wer schon länger in der Branche unterwegs ist erinnert sich vielleicht an den Schweinezyklus. Ein Ausdruck, den meines Wissens Hans-Dieter Blaser, ehemaliger Deutschland-Chef von Seagate, prägte. Dies war allerdings in den 90-igern und Anfang der 2000er Jahre. Seit vielen Jahren sind wir und das Segment verwöhnt. Eine richtige Knappheit gab es schon lange nicht mehr. Vielmehr waren die drei Plattenproduzenten froh überhaupt Kunden für ihre Laufwerke zu finden.
Es kommt aber noch etwas anderes zum Tragen: bei den Entscheidungsträgern hat ein Generationswechsel stattgefunden. Dies wurde auch anlässlich unseres letzten Meetups angesprochen. Für einige ITler, Einkäufer und Verkäufer ist dies eine neue Situation. Ich bin gespannt, wie die Branche mit der Situation umgeht.
Wohl dem, der sich ein kleines Lager gönnt und nicht alles on-demand einkauft.