Das Wissen über Zahlungsfähigkeit ist wertvoll – und bisher Territorium weniger Unternehmen. Datenschutzverordnung und Zahlungsdiensterichtlinie PSD II geben den Bürgern mehr Verfügungsgewalt. Das machen sich findige Start-ups zunutze.
Daten sind das neue Öl, lautet eine oft zu hörende Phrase in der IT-Branche. Was kaum ein Manager sagt: Keine Ölquelle hat je von ihrer Ausbeutung profitiert – ob echtes Bohrloch in Saudi-Arabien oder die Quellen der neuen Datenökonomie: die Verbraucher. Lieferanten des neuen Reichtums sind die Bürger, doch es verdienen bislang nur die Unternehmen. Die EU-Regulierung verleiht den Verbrauchern aber zumindest etwas größere Mitsprache. Und dank Datenschutzgrundverordnung und Zahlungsdiensterichtlinie PSD II können findige Start-ups mit etablierten Branchengrößen konkurrieren. Im Idealfall sollen dann sogar die Verbraucher etwas davon haben.
Ein Pionier ist das Münchner Start-up it’s my data, das sich auf eine neue Dienstleistung spezialisiert hat: Registrierte Nutzer können bei 120 Unternehmen von Facebook bis zur Schufa ihre persönlichen Daten anfordern, nach Belieben löschen lassen oder «monetarisieren», wie Mitgründer Alexander Sieverts sagt. It’s my Data legt Wert darauf, selbst keine Datenkrake zu sein: «Auf den Inhalt der Accounts haben wir keinen Zugriff», betont Sieverts.
Der Vorteil für die Nutzer: Sie können herausfinden, was die Konzerne über sie wissen. Ob in Zukunft einzelne Bürger ihre Daten tatsächlich in großem Stil monetarisieren – also zu Geld machen – können, muss sich noch zeigen. It’s my Data ist dabei nicht als wohltätige Vereinigung gedacht: Das Unternehmen bietet Bonitätszertifikate an. Diese müssen die Nutzer bei Bestellung bezahlen, auch wenn das erheblich weniger kostet als bei der Schufa.
Ermöglicht werden neue Geschäftsmodelle wie bei it’s my data durch die EU-Regulierung: Die Datenschutzgrundverordnung gibt den Bürgern das Recht, bei Unternehmen abzufragen, welche Daten dort gesammelt sind. Und die PSD II dringt ins Territorium der Banken ein und erweitert die Geschäftsmöglichkeiten für Bezahl- und Kontoinformationsdienste.
Finanzdaten sind ein besonders sensibler Bereich. Bisher ist das Wissen über Bonität und Zahlungsfähigkeit von Bürgern und Unternehmen konzentriert bei den vier großen Wirtschaftsauskunfteien und ihren Tochtergesellschaften: Schufa, Creditreform, Crif Bürgel und arvato infoscore.
Sieverts und it’s my Data treten mit ihrem Bonitätszertifikat in direkte Konkurrenz zur Schufa. Die stellt die angeforderten Daten zwar zur Verfügung, scheint aber von dem neuen Wettbewerber nicht begeistert: «Bekommen tut die Daten immer derjenige, den es angeht, und das ist der Verbraucher», sagt Schufa-Sprecher Ingo Koch. It’s my Data fordert die Daten zwar im Auftrag seiner Nutzer an, doch die Post geht nicht an das Start-up.
Der zur Creditreform-Gruppe gehörende Bonitätsprüfer Boniversum hingegen kooperiert freiwillig mit den Münchnern. «Wir sind gerade dabei, it’s my data technisch anzubinden», sagt Boniversum-Geschäftsführer Ralf Zirbes. «Die Demokratisierung der Daten finde ich gut. Das ist ohnehin ein Trend, dem Unternehmen sich nicht entziehen können.» It’s my Data konkurriert allerdings auch nicht direkt mit Boniversum, das in Neuss im Rheinland ansässige Unternehmen verdient sein Geld mit Bonitätsprüfungen für Firmenkunden.
Dass Datenschutzgrundverordnung und insbesondere die Zahlungsdiensterichtlinie PSD II zu verschärfter Konkurrenz im Finanzsektor führen werden, ist in dem Regelwerk so angelegt. PSD II ist eigens dafür gedacht, den Wettbewerb zu fördern.
Boniversum-Geschäftsführer Zirbes glaubt zwar nicht, dass den Auskunfteien auf ihrem Kerngebiet Gefahr droht, sieht aber die Herausforderung auf anderen Geschäftsfeldern: «Die Bonitätsprüfung ist durch die Auskunfteien relativ ausoptimiert, da mache ich mir wenig Sorgen», sagt er. So ist Creditreform auch Partnerauskunftei für das Berliner Start-up Bonify, das seinen Nutzern ebenfalls Bonitätsdaten anbietet. Das Bonify-Geschäftsmodell besteht darin, die Auskunft über die finanzielle Situation mit dazu passenden Kredit- und sonstigen Angeboten zu verbinden.
Zirbes nennt ein Beispiel für wachsende Konkurrenz: «Was uns stärker umtreibt, sind neue Geschäftsmodelle mit der Identitätsfeststellung und Echtzeit-Validierung von Kundendaten.» Denn Identitätsdiebstahl und falsche Identitäten sind für Online-Shops ein großes Problem. Es gewinnt das Unternehmen, dessen Software am schnellsten und zuverlässigsten herausfindet, ob Online-Kunde Maier wirklich der Mensch Maier ist.
dpa