EPRI erweitert DCFlex-Programm mit europäischen Partnern wie RTE, Schneider Electric, PPC Group und ING. Die Initiative reagiert auf den prognostizierten Anstieg des Strombedarfs von Rechenzentren um das Dreifache bis 2030.
Der rasante Anstieg des Energieverbrauchs durch Rechenzentren stellt Europas Stromnetze vor massive Herausforderungen. Eine neue internationale Initiative will diese Entwicklung nun in eine Chance verwandeln: Statt nur Energiekonsumenten zu sein, sollen Rechenzentren künftig aktiv zur Netzstabilität beitragen. Die gemeinnützige Forschungsorganisation EPRI (Electric Power Research Institute) weitet ihre DCFlex-Initiative auf Europa aus und will mit innovativen Konzepten die Flexibilität und Effizienz der digitalen Infrastruktur revolutionieren.
Rechenzentren als Energiefresser und potenzielle Netzstabilisatoren
Die Entwicklung ist dramatisch: Eine McKinsey-Studie prognostiziert, dass der Stromverbrauch europäischer Rechenzentren von aktuell 10 Gigawatt bis 2030 auf 35 Gigawatt ansteigen wird – eine Verdreifachung innerhalb weniger Jahre. In Irland entfallen bereits heute über 20 Prozent des gesamten Stromverbrauchs auf Rechenzentren. Der Trend wird durch künstliche Intelligenz, Cloud Computing und die allgemeine Digitalisierung zusätzlich beschleunigt.
Zwischen 2017 und 2021 hat sich der Stromverbrauch der großen Tech-Konzerne wie Meta, Amazon, Microsoft und Google mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung stellt die europäische Energieinfrastruktur vor enorme Herausforderungen, bietet aber auch Chancen für neue Lösungsansätze.
DCFlex: Von den USA nach Europa
Nachdem die DCFlex-Initiative im vergangenen Jahr in den USA gestartet wurde, gewinnt sie nun auch in Europa an Fahrt. Mit namhaften Neuzugängen wie dem französischen Übertragungsnetzbetreiber RTE, dem Technologiekonzern Schneider Electric, der niederländischen Großbank ING und dem griechischen Energieversorger PPC Group wird das Projekt international.
Die Gründungsmitglieder Google, Meta, NVIDIA und verschiedene US-Versorgungsunternehmen bekommen damit europäische Partner, die das Konzept auf dem Kontinent vorantreiben sollen. Die ersten Demonstrationsprojekte werden bereits in der ersten Hälfte des Jahres 2025 starten, mit einer geplanten Testphase bis 2027.
Flexible Lösungen für eine datengetriebene Zukunft
Die DCFlex-Initiative wird sogenannte Flexibilitätszentren einrichten, in denen innovative Strategien für Rechenzentren und Stromversorger erprobt werden. Das Ziel: Rechenzentren sollen nicht nur Energie verbrauchen, sondern durch intelligentes Lastmanagement zur Netzstabilität beitragen.
„Europa erlebt einen erheblichen Anstieg der Stromnachfrage, angetrieben durch Rechenzentren, künstliche Intelligenz, zunehmende Elektrifizierung und andere Faktoren“, erklärt EPRI-Präsident und CEO Arshad Mansoor. „Ein flexibles Design und ein flexibler Betrieb von Rechenzentren ist eine Schlüsselstrategie, um die Entwicklung von KI zu beschleunigen und ihre Vorteile zu nutzen, während gleichzeitig die Kosten minimiert und die Systemzuverlässigkeit erhöht werden.“
Technische Herausforderungen und Lösungsansätze
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, den wachsenden Energiehunger der KI-Infrastruktur mit den Kapazitätsgrenzen der Stromnetze in Einklang zu bringen. Xavier Piechaczyk, Vorstandsvorsitzender von RTE, beschreibt das Problem so: „Da die Nachfrage nach Netzanschlüssen von Hyperscalern in Frankreich exponentiell ansteigt, muss RTE den Stromverbrauch ihrer Algorithmen mit den Beschränkungen des Stromnetzes in Einklang bringen, um den Anschlussprozess zu beschleunigen.“
Die DCFlex-Projekte sollen die technische Machbarkeit von Flexibilitätslösungen für Rechenzentren in großem Maßstab demonstrieren und innovative Ansätze für den Netzanschluss entwickeln. Denkbare Lösungen könnten sein:
- Dynamische Lastverschiebung bei KI-Workloads
- Integration von Batteriespeichern
- Nutzung von Notstromaggregaten zur Netzstabilisierung
- Intelligentes Thermomanagement mit thermischen Speichern
- Standortübergreifende Lastverteilung
Industriepartner sehen Chancen für Nachhaltigkeit und Innovation
Die beteiligten Unternehmen betonen die Bedeutung der Initiative für ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele und die Zukunft der digitalen Infrastruktur.
Caroline Golin, globale Leiterin der Abteilung für Energiemarktentwicklung und Innovation bei Google, sieht in der Initiative „eine generationenübergreifende Gelegenheit für den öffentlichen und privaten Sektor, zusammenzuarbeiten, um den Energiebedarf verantwortungsvoll zu decken und bedeutende Vorteile für die Menschen, die Wirtschaft und den Planeten zu erschließen.“
Auch für Technologieanbieter wie Schneider Electric eröffnen sich neue Möglichkeiten. Steve Carlini, Chief Advocate für AI and Data Center bei Schneider Electric, bezeichnet die DCFlex-Initiative als „enormen Katalysator für Fortschritte bei der Entwicklung und Erprobung neuer Technologien, Rahmenwerke und Betriebsmodelle.“
Konvergenz von Energie- und Technologiebranche
Besonders bemerkenswert ist die Beteiligung der PPC Group, eines traditionellen Energieversorgers, der nun in das Geschäft mit Konnektivität und Rechenzentren einsteigt. „In der neuen Ära der dezentral-flexiblen Energieerzeugung, des exponentiellen Datenwachstums und der künstlichen Intelligenz sind die Energie- und Technologiebranchen immer stärker miteinander verknüpft und voneinander abhängig“, erklärt Georgios Stassis, Chairman und CEO der PPC Group.
Diese Konvergenz zeigt, wie traditionelle Grenzen zwischen Branchen verschwimmen und neue Geschäftsmodelle entstehen. Energieversorger werden zu Technologieanbietern, während Technologieunternehmen zunehmend Expertise im Energiesektor aufbauen.
Finanzbranche erkennt strategische Bedeutung
Mit der ING beteiligt sich auch erstmals ein globales Finanzinstitut an der Initiative. Mark Pieter de Boer, Global Head of Sector Coverage und Chief Commercial Officer bei ING, betont die Bedeutung der Zusammenarbeit: „Wir sind bestrebt, die Nachhaltigkeitsziele unserer Kunden zu unterstützen, und zwar nicht nur durch die Finanzierung bestehender Initiativen, sondern auch durch die Nutzung unseres sektorübergreifenden Fachwissens und unseres globalen Netzwerks, um gemeinsam mit Partnern reale Herausforderungen zu lösen.“
Die Beteiligung der ING unterstreicht, dass die nachhaltige Transformation der Rechenzentrumsinfrastruktur auch für die Finanzierung digitaler Projekte zunehmend relevant wird.
Fazit: Mit Innovationskraft die Herausforderungen meistern
Die EPRI-Initiative DCFlex verdeutlicht, dass die enormen Herausforderungen durch den wachsenden Energiebedarf von Rechenzentren und KI-Infrastruktur nur durch branchenübergreifende Zusammenarbeit und innovative Ansätze bewältigt werden können. Die Ausweitung auf Europa ist ein wichtiger Schritt, um globale Standards für nachhaltige und flexible Rechenzentrumsinfrastrukturen zu entwickeln.
(sp/EPRI)