Die Kernleistungen der meisten Unternehmen werden heute in bereichs- und zuweilen sogar unternehmensübergreifender Teamarbeit erbracht. Entsprechend wichtig ist es für den Unternehmenserfolg zu wissen: Was ist ein Team? Wie entsteht es? Und: Was benötigt es, um effektiv zu arbeiten?
Welche Mitarbeiter eines Unternehmens müssen „teamfähig“ sein? Alle! Diesen Eindruck gewinnt man bei der Lektüre von Stellenanzeigen. In ihnen wird von den neuen Mitarbeitern meist gefordert, sie sollen „teamfähig“ sein – und zwar unabhängig davon, ob das Unternehmen gerade einen Pförtner, Verkäufer, IT-ler oder Bereichsleiter sucht.
Fakt ist: Der Begriff „teamfähig“ hat sich zu einer Leerformel entwickelt. In Stellenanzeigen kann er vieles bedeuten. Zum Beispiel, dass der neue Mitarbeiter, ohne nachzudenken und nachzufragen, macht, was man ihm sagt. Gemäß der Maxime: Nicht schwätzen, sondern schaffen! Der Mitarbeiter soll – aus Sicht der Führung – also „pflegeleicht“ sein. Der Begriff kann aber auch das Gegenteil bedeuten: Der Neue soll bei seiner Arbeit über den Tellerrand hinausschauen, mitdenken und eigene Ideen einbringen, wie Aufgaben (künftig) besser gelöst werden könnten – selbst, wenn er dabei tradierte Lösungen hinterfragt.
Nicht jede Zusammenarbeit ist eine Teamarbeit
Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff „Teamarbeit“. Auch er wird inflationär und unterschiedlich gebraucht. Manche Unternehmen sprechen bereits von Teamarbeit, wenn zwei Mitarbeiter gemeinsam Briefe eintüten. Bei solchen Routinearbeiten von Teamarbeit zu sprechen, ist Nonsens – selbst wenn sich die Mitarbeiter dabei ab und zu darüber abstimmen müssen „Wer macht was bis wann?“. Dann praktizieren sie trotzdem keine Teamarbeit. Sie arbeiten schlicht zusammen.
Echte Teamarbeit wird in der Regel in Unternehmen nur praktiziert, wenn es „harte Nüsse“ zu knacken gilt. Also wenn zum Beispiel komplexe Aufgaben zu lösen sind, die das Know-how mehrerer Experten unterschiedlicher Diszipline erfordern. Teamarbeit ist zudem meist sinnvoll und erforderlich, wenn Lösungen für Probleme gefunden werden sollen, die mehrere Unternehmensbereiche betreffen – unter anderem damit in die Problemlösung die Erfahrungen und Bedürfnisse aller betroffenen Bereiche einfließen, so dass sich letztlich alle mit der Lösung identifizieren und bei deren Umsetzung möglichst wenig vermeidbare Schwierigkeiten auftreten.
Nicht jede Gruppe ist ein Team
Doch was unterscheidet ein Team von einer Gruppe? Ein Team zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sich seine Mitglieder wechselseitig inspirieren – also den gemeinsamen Horizont erweitern. Wenn alle Beteiligten dasselbe Know-how, dieselbe Erfahrung und dieselbe Sichtweise auf das zu lösende Problem haben, brauchen Unternehmen kein Team zu gründen. Denn dann befruchten sich dessen Mitglieder nicht wechselseitig. Folglich werden auch keine innovativen Lösungen entwickelt, was gerade in einer Zeit, in der sich die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns der Unternehmen rasch und radikal wandeln, oft nötig ist.
Ein Team organisiert zudem seine Zusammenarbeit weitgehend selbst. Es bestimmt ausgehend vom angestrebten, oft vorgegebenen Ziel selbst, wer welche (Teil-)Aufgabe übernimmt und wie beim Lösen des Problems vorgegangen wird. Hier liegt der zentrale Unterschied zwischen einem Team und einer Gruppe. Einer Gruppe werden die Regeln der Zusammenarbeit weitgehend vorgegeben. Auch ihr Leiter wird von den „Chefs“ ernannt. Ein Team hingegen wählt bzw. bestimmt seinen Leiter selbst. Er ist zudem nicht der Chef des Teams. Seine Funktion beschränkt sich vielmehr darauf, die Arbeit des Teams zu steuern und zu koordinieren und es nach außen zu vertreten. Im Idealfall ist er ein „primus inter pares“ und kristallisiert sich erst im Teamfindungsprozess heraus.
Die gemeinsame Aufgabe steht zentral
Im Idealfall – wohlgemerkt! Oft praktizieren Unternehmen nämlich ein anderes Verfahren. Sie benennen zunächst den Teamleiter. Dieser soll dann „sein Team“ bilden. Dies tut er auch – häufig nach den Kriterien: Mit wem komme ich gut klar? Und: Wer hat gerade Zeit? Die zu erfüllende Aufgabe spielt hingegen bei der Auswahl der Teammitglieder zuweilen eine marginale Rolle.
Eine Ursache hierfür ist: Es gibt wenig gute Hilfsmittel für das Zusammenstellen von Teams. Zwar werden viele Tests im Markt angeboten, die angeblich helfen, das „ideale Team“ zu finden. Ihr Nutzen ist aber oft gering. Unter anderem aus folgenden Gründen: Diese Tests blenden meist aus, dass ein Team nur erfolgreich arbeiten kann, wenn seine Mitglieder (gemeinsam) ein breites Fachwissen und die erforderliche Expertise zum Lösen des Problems bzw. der Aufgabe haben. Sonst hätte ja kein Team gegründet werden müssen. Sie berücksichtigen zudem nicht, dass jedes Team so in seinem Umfeld verankert sein muss, dass es die nötige Unterstützung erfährt. Deshalb erleiden Unternehmen meist Schiffbruch, wenn sie Teams gemäß der Faustregel bilden „Man nehme einen Fachmann, einen Visionär, einen Organisator und einen Kommunikator und fertig ist das perfekte Team“.
Trotzdem wird im Firmenalltag oft so verfahren – auch weil die Entscheidung „Wir forcieren die Teamarbeit“ oder „Wir bilden ein Projektteam“ häufig über Nacht fällt. Entsprechend hastig werden die Teams formiert. Und vom ersten Tag an sind sie mit der Erwartung konfrontiert, entweder mehr zu leisten oder kreativer und innovativer zu sein, als wenn seine Mitglieder als Einzelkämpfer agieren würden. Schließlich erhoffen sich die Unternehmensführer von der Teamarbeit in der Regel eine Steigerung der Produktivität sowie Innovationskraft und -geschwindigkeit der Organisation.
Die vier Entwicklungsphasen eines Teams
Dabei wird übersehen: Jedes Team durchläuft, bevor es voll leistungsfähig ist, zunächst einen längeren Prozess der Selbstfindung. Dieser Prozess gliedert sich in die vier Phasen „Forming“ (Orientierungsphase), „Storming“ (Konfliktphase), „Norming“ (Organisationsphase) und „Performing“ (Integrationsphase).
In der „Forming-Phase“ beschnuppern sich die Teammitglieder wechselseitig. Sie versuchen zu erkunden: Was fit sind die „neuen Kollegen“? Welche Interessen verfolgen sie und ist mit ihnen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich? In dieser Phase empfindet sich das Team noch nicht als Team.
Die „Storming-Phase“ ist von Auseinandersetzungen geprägt. In ihr werden sozusagen die Rangkämpfe ausgefochten. Nun geht es unter anderem darum: Wer hat welche Aufgabe und Rolle im Team? Wie stark werden die unterschiedlichen Interessen berücksichtigt? In dieser Phase kochen oft unterschwellige Konflikte zwischen den Bereichen und Funktionsgruppen im Unternehmen hoch, und die Teammitglieder sind stärker mit Status-Kämpfen als mit ihrer Aufgabe beschäftigt.
In der „Norming-Phase“ glätten sich die Wogen allmählich. Nun verständigen sich die Teammitglieder zum Beispiel auf Spielregeln für den Umgang miteinander; außerdem vereinbaren sie erste Maximen, an die sich alle beim Lösen der Aufgabe halten. Erst wenn ein Team diesen Punkt erreicht hat, entfaltet es allmählich seine Vorzüge. Dann beginnt das eigentliche „Performing“ – also die Phase, in der das Team bessere Ergebnisse erzielt, als wenn seine Mitglieder alleine arbeiten würden.
Der Output steigt mit der Zeit
In den ersten drei Phasen ist das Team stark mit sich selbst beschäftigt. Entsprechend mager sind oft seine Arbeitsergebnisse. Sie sind zumeist geringer, als wenn die Mitglieder alleine arbeiten würden, und einer die Kommandos, was jeder zu tun hat, vorgäbe. Deshalb wird die Teamarbeit in diesen Phasen oft als ineffektiv erlebt – von den Teammitgliedern selbst und ihrem Umfeld.
Ein entsprechendes Feedback erhalten sie von ihren Kollegen bzw. ihrem Umfeld: „Wann kommt ihr endlich zu Potte?“ „Wann kann man mit ersten Lösungsansätzen rechnen?“ Dies fördert nicht die Stimmung. Entsprechend groß ist die Gefahr, dass sich einzelne Teammitglieder aus der Teamarbeit verabschieden, bevor sie eigentlich begonnen hat. Deshalb sollte der Teambildungsprozess – speziell von Teams, die sich mit einem hohen Erwartungsdruck konfrontiert sehen – von einem Coach oder erfahrenen Teamentwickler begleitet werden. Er kann, indem er zum Beispiel die richtigen Fragen stellt, den Teambildungsprozess beschleunigen.
Ein ähnlicher Effekt tritt ein, wenn die Teammitglieder in der Startphase ein Teamtraining besuchen, um sich dort sozusagen im Zeitraffer zusammenzuraufen. Dies ist gerade bei virtuellen und hybriden Teams meist extrem wichtig; also Teams, deren Mitglieder sich im Arbeitsalltag wenn überhaupt nur sporadisch persönlich treffen, sondern weitgehend per Telefon oder digital miteinander kommunizieren. Denn das für eine effektive Zusammenarbeit nötige Vertrauen zwischen den Teammitgliedern setzt auch ein Gespür dafür voraus,
- wie tickt mein Gegenüber und
- was ist ihm (in der Zusammenarbeit) wichtig.
Teams sind Zweck- und Zielgemeinschaften
Keineswegs müssen die Teammitglieder jedoch wie ehedem Sepp Herbergers Fußballtruppe „elf Freunde“ sein. Das Gegenteil ist Fall. Eine zu große Kumpanei schmälert oft den Output von Teams. Denn dann geraten schnell die Aufgabe und das Arbeitsziel aus dem Blickfeld; zudem werden Probleme und Verhaltensweisen, die die Zielerreichung erschweren, nicht offen artikuliert.
Das gilt es insbesondere beim Implementieren von Teams, die als „Innovation Labs“ in Unternehmen fungieren sollen, zu bedenken; Teams also, die ganz neue, zukunftsweisende Ideen und Problemlösungen generieren sollen; zum Beispiel, weil sich die Rahmenbedingungen des Handelns des Unternehmens fundamental gewandelt haben. Denn auch diese Teams agieren nicht zweck- und zielfrei. Ihre Funktion ist es vielmehr, Wege aufzuzeigen und zu entwickeln, wie das Unternehmen auch künftig mit Erfolg agiert. Entsprechend radikal müssen in ihnen die bisher praktizierten Vorgehensweisen und Problemlösungen hinterfragt werden – oder zwar ohne Rücksicht auf individuelle Vorlieben sowie einzelne Personen und Bereiche.